Der Pressesaal des Bayerischen Landtag war voll, als Ilse Aigner (CSU) Ende Juli vergangenen Jahres die Medienvertreter zum Termin bat. Neben der Landtagspräsidentin: Prof. Tristan Barczak vom Lehrstuhl für Öffentliches Recht in Passau. Der Jurist stellte ein Gutachten vor, in dem er untersucht hatte, ob der Landtag verfassungsfeindlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern von Abgeordneten die Vergütung verweigern könnte. Ja, kann er, so das Fazit des Gutachtens. Dazu müsste im Bayerischen Abgeordnetengesetz eine sogenannte "Extremismusklausel" eingeführt werden. Und auch das Fraktionsgesetz müsste geändert werden. Der Ball lag also bei den Parteien.
Sprecher: "Präsidentin hat mehrfach Anläufe unternommen"
Seitdem ist es ruhig geworden um das Anliegen. Von Vorschlägen oder Diskussionen um die Gesetzesänderungen ist nichts zu hören oder zu sehen. Haben CSU, Freie Wähler, SPD und Grüne im Landtag kein Interesse an Aigners Anliegen? Doch, doch, hört man von den Landtags-Grünen. Sie hätten die Regierungsfraktionen immer wieder aufgefordert, tätig zu werden.
Und auch Ilse Aigner ist das Anliegen weiterhin wichtig. Auf BR-Anfrage schreibt ihr Sprecher: "Die Präsidentin hat mehrfach Anläufe unternommen, das Thema zu forcieren. Die Landtagsverwaltung selbst kann nicht weiter tätig werden." Aufgerüttelt haben dürfte die Präsidentin damals unter anderem eine BR-Recherche über Mitarbeiter der AfD-Fraktion, die Organisationen nahestanden, die vom Verfassungsschutz als rechtsextremistisch eingestuft werden, wie die Identitäre Bewegung oder rechtsextreme Burschenschaften.
Rheinland-Pfalz: "Zuverlässigkeitsprüfungen" für Landtagsmitarbeiter geplant
In Rheinland-Pfalz ist man derweil schon einen Schritt weiter. Hier haben vor zwei Wochen vier der sechs Fraktionen im Landtag einen gemeinsamen Gesetzentwurf vorgelegt: SPD, CDU, Grüne und FDP wollen das Parlament als Verfassungsorgan vor Feinden der Verfassung schützen. Konkret schlagen sie eine freiwillige Zuverlässigkeitsprüfung aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Abgeordneten des rheinland-pfälzischen Landtags vor. Wer bei der Prüfung als "nicht zuverlässig" eingestuft wird oder wer sich weigert, überprüft zu werden, dem soll laut Gesetzentwurf zum Monatsende der Lohn gekürzt und später ganz entzogen werden. Unter die Kategorie "nicht zuverlässig" sollen laut Gesetz Personen fallen, die
- wegen eines Staatsschutzdeliktes rechtskräftig verurteilt sind
- in einem verbotenen Verein Mitglied sind oder waren oder
- verfassungsfeindliche Bestrebungen haben.
Entschieden werden soll jeweils im Einzelfall. Bloße Zweifel an der Person genügten nicht, heißt es im Entwurf.
Statement vier bayerischer Fraktionen: "Regelung muss rechtssicher und praxistauglich sein"
Nun scheint auch im Bayerischen Landtag langsam Bewegung in die Sache zu kommen: Nach einer BR-Anfrage bei CSU und Freien Wählern antworten diese gemeinsam mit SPD und Grünen. In einem Statement der vier Fraktionen heißt es: Gründlichkeit gehe vor Schnelligkeit, und weiter, "die demokratischen Fraktionen im Bayrischen Landtag sind in intensiven Gesprächen und haben ein klares gemeinsames Ziel: Kein Steuergeld für Extremisten. Eine neue Regelung muss rechtssicher und praxistauglich sein. Mögliche gesetzliche Änderungen sind zwischen hohen verfassungsrechtlichen Gütern abzuwägen." (sic)
Rechtliche Hürden: Mandatsfreiheit und Parteienprivileg
Rechtlich gesehen ist der Vorgang tatsächlich nicht einfach. Da ist zum einen die Mandatsfreiheit: Die Abgeordneten dürfen nicht eingeschränkt werden in ihrer Arbeit, etwa in der Auswahl ihrer Mitarbeiter. Auch dann nicht, wenn ihre Mitarbeiter verfassungsfeindlich gesinnt sein können. Außerdem ist allen Parteien das sogenannte "Parteienprivileg" gesetzlich garantiert: Jede Partei ist in ihrer politischen Aktivität von jeder Art von Behinderung geschützt.
Gleichzeitig können Beschäftigte des öffentlichen Dienstes, wozu auch Landtagsmitarbeiter zählen, einer Einzelfallprüfung unterzogen werden. Denkbar wäre beispielsweise vor einer Anstellung die Ausfüllung eines Fragenbogens. In diesem könnte die Mitgliedschaft in einer vom Verfassungsschutz als extremistisch eingestuften Gruppierung abgefragt werden. Wann im Bayerischen Landtag diese oder andere Regelungen zum Schutz des Hohen Hauses vor Verfassungsfeinden diskutiert werden, ist weiter unklar.
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