Die Vorwürfe wiegen schwer, doch noch erschreckender scheint das junge Alter der Beschuldigten: Die Bundesanwaltschaft ist am frühen Mittwochmorgen in mehreren Bundesländern gegen eine mutmaßliche rechte Terrorgruppe vorgegangen. Fünf Verdächtige lässt die oberste Strafverfolgungsbehörde festnehmen. Sie sind zwischen 14 und 18 Jahre alt.
Der Sozialwissenschaftler Gürcan Kökgiran ist über das junge Alter der mutmaßlichen Rechtsterroristen nicht verwundert. Kökgiran sagte im Interview mit BR24, man beobachte seit Jahren, dass Jugendliche schon sehr früh mit radikalen Inhalten in Kontakt kämen. Das Internet sei jederzeit jedem zugänglich, und viele Jugendliche suchten dort nach Orientierung, Zugehörigkeit und einfachen Antworten auf komplexe Fragen.
Extremisten und ihre Radikalisierungsstrategien
Wenn extremistische Gruppen genau dort anwesend sind, entsteht eine gefährliche Dynamik. Der Altersdurchschnitt sinkt, und das sei kein Zufall, sondern eine Folge gezielter, digitaler Radikalisierungsstrategien, so Kökgiran, der im Rahmen der Initiative MIND Prevention selbst mit Jugendlichen arbeitet.
Kökgiran erachtet Social-Media-Kanäle deswegen als besonders gefährlich, weil diese kein neutraler Raum seien, sondern über Emotionen, Zuspitzung, Bilder und Sound funktionierten. Dies mache Menschen anfällig für Hass, Verschwörung und Radikalisierung. "Meist machen 30 Sekunden TikTok-Videos ein Jahr Präventionsarbeit kaputt. Das klingt drastisch, aber beschreibt genau, wie schnell Narrative sich verfestigen können. Die Jugendlichen werden emotional aufgeladen, scheinbar mit authentischen Inhalten konfrontiert – ohne Einordnung, ohne Kontext", so der Sozialwissenschaftler.
Prävention: Welche Gegenstrategien sind sinnvoll?
Seiner Einschätzung nach werden junge Menschen nicht von jetzt auf gleich radikalisiert. Dies sei ein Prozess, der sich aber immer mehr beschleunige. Deswegen brauche es Sensibilität für bestimmte Signale, wie plötzliche Abschottung, Veränderungen in Sprache und Weltbild, Schwarz-Weiß-Denken sowie Abwertung bestimmter Gruppen. Ebenso wichtig sei es, Jugendlichen offene Gesprächsräume anzubieten. "Wenn Jugendliche das Gefühl haben, sie können nicht über ihre Unsicherheiten, über ihre Fragen zu Hause oder in der Schule reden, dann suchen sie woanders Antworten. Dort warten oft Extremisten mit einfachen, aber brandgefährlichen Botschaften."
Der Sozialwissenschaftler betonte in dem Interview, es sei grundsätzlich möglich, radikalisierte Jugendliche wieder zurückzuholen. Dafür brauche es aber Räume der Begegnung, Gespräche und Perspektivenwechsel. Theaterpädagogische Methoden wie Rollenspiele seien eine Möglichkeit, um etwas zu bewirken. Diese Methoden seien allerdings zeitaufwändig.
Mutmaßliche Terrorzelle plante Anschläge auf Geflüchtete
Die jungen, in Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und Hessen festgenommenen Männer sollen zu einer Terrorgruppe mit dem Namen "Letzte Verteidigungswelle" gehören. Die Bundesanwaltschaft geht davon aus, dass sie Gewalttaten gegen Migranten und politische Gegner planten. Zwei Mitglieder der Gruppe sollen im Herbst vergangenen Jahres ein Gebäude im brandenburgischen Altdöbern in Brand gesetzt haben.
Mit Informationen von dpa
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