Was ist der Super-GAU in einer Beziehung? Wenn der Gartenschuppen explodiert, weil dein Mann erstens dachte, ein Töpferofen sei ein prima Geschenk und zweitens, für den Anschluss brauche er keinen Fachmann? Es geht schlimmer: Nick (Steve Carell) will sich von seiner Frau Anne (Kerri Kenney-Silver) trennen – an ihrem 25. Hochzeitstag. Sie seien kein Liebespaar mehr, glotzten einander nicht mehr romantisch in die Augen, sondern nur noch auf die Bildschirme ihrer Endgeräte: "Wir sind wie Kollegen in einem Kernkraftwerk", sagt er.
Was für ein Satz! Womit bereits ein Grund gefunden wäre, warum die Comedy-Serie "The Four Seasons" gerade weltweit die Netflix-Charts stürmt, sich auch in Deutschland seit Tagen auf den vorderen Plätzen hält und direkt nach Erscheinen ein Millionenpublikum erreichte. "The Four Seasons" ist so erfolgreich, dass der Streaminganbieter bereits eine zweite Staffel angekündigt hat. Die Serie basiert auf einem gleichnamigen Film aus den Achtzigern, Tina Fey hat die Geschichte ins Heute geholt.
Wer Situationskomik, Selbstironie und Dialoge wie ein Squash-Spiel will, also schnell und schmerzhaft, braucht Tina Fey. Sie war die erste Frau an der Spitze des Writers’ Room von Saturday Night Live. Und steckt auch hinter Filmen und Serien wie "30 Rock", "Mean Girls" und "Unbreakable Kimmy Schmidt". Bei "Four Seasons" ist sie nicht nur Ideengeberin, Produzentin und Autorin mehrerer Folgen – sie spielt auch mit. Nämlich die Hälfte eines anderen Paares, eines, das mit Vorliebe nörgelt. Zum Beispiel über Sommer, Sonne, Sonnenschein. Ihr bester Freund sagt über die beiden: "Jammern ist ihre Version von Sex."
"Eine ziemlich normale Midlife-Crisis"
"The Four Seasons" erzählt von drei Paaren, die seit Studienzeiten befreundet und nun im mittleren Lebensalter sind. Viermal im Jahr, in jeder der vier Jahreszeiten, fahren sie gemeinsam in den Urlaub – und das Publikum begleitet sie: im Frühling ins Seehaus, wo bei der Silberhochzeit die Trennungsbombe platzt. Im Sommer in die Karibik, wo Nick seine neue Freundin Ginny mitbringt, so jung, dass sie seine Tochter sein könnte. Im Herbstlicht an ihre alte Uni. Und über Silvester auf die Skihütte.
Das Leben der sechs ist ein wahr gewordener Traum: genug Geld für viermal Luxus-Urlaub im Jahr und beste Freunde für alle Lebenslagen. Aber es ist auch ein wahr gewordener Albtraum – oder wie es eine der Töchter treffend beschreibt: "Eine ziemlich normale Midlife-Crisis." Neue Liebe, Sportwagen, Herzinfarkt. Die Serie lässt kein Klischee aus, findet aber auch neue Bilder für das alte Problem der eigenen Endlichkeit.
Etwa wenn die Männer versuchen, Millennial Ginny zu beeindrucken: Eine einsame Insel erkunden, weil dort womöglich der "geheime Strand" liegt, den sie auf TikTok gesehen hat? "Tschüss ihr Langweiler, auf zur geheimen Lagune!", ruft der eine. Was er (Stichwort "Seeigel") wenig später bereuen wird.
Aktuelle Diskurse treffen auf Urängste
Eingeschrieben ins Drehbuch sind dabei jede Menge aktuelle Diskurse: Etwa der "Mental Load" von Tina Feys Figur, die von den Urlauben der Gruppe bis zu den Arztterminen ihres Mannes ständig alles organisieren muss. Was sie eines Tages ähnlich spektakulär explodieren lässt wie der Töpfer-Ofen den Gartenschuppen.
Oder wenn sich die Mittfünfziger Hilfe suchend aneinander klammern angesichts all der neumodischen Beziehungskonzepte: "fluide", "offen", "poly". Alles schön und gut, aber was ist mit Verbindlichkeit, fragen sie sich – und wer macht am Ende die Heißluftfritteuse sauber?
In Würde altern? Geht nicht
In dieser Beziehungskomödie liegt das Tragische nah am Komischen. Das ist letztlich ihr Erfolgsgeheimnis: Sie berührt unsere Urängste: verlassen werden, andere enttäuschen, sterben, ohne das Leben gelebt zu haben, das man leben wollte.
Dagegen hilft nur eines, so die Botschaft: nicht allein bleiben. Gemeint ist damit aber nicht, dass jeder Topf seinen Deckel findet – und braucht. Nein, Freundschaften sind in dieser Serie mindestens so wichtig wie Liebesbeziehungen. Es geht hier also um Familien und Wahlfamilien. Bleibt die Frage: In Würde altern, wie soll das gehen? Gar nicht, ist die Antwort von "The Four Seasons". Aber mit Selbstironie macht es Spaß, sich zum Silberrücken zu machen.
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